KASINO | 2016 | Ausstellungsansicht Förderverein Aktuelle Kunst, Münster | Theaterlatten, Sperrholz, Fahne (180 x 180 cm), Aquarium, Zeichnung, Ölfrüchte
Für die aktuelle Ausstellung setzt sich Bayer mit der bewegten Geschichte des Lincoln-Quartiers auseinander. Münster galt noch bis in die 1990er-Jahre als eine der größten Garnisonsstädte innerhalb Deutschlands, ein Umstand der die Stadtentwicklung nachhaltig geprägt hat und bis heute stellenweise deutlich erkennbar geblieben ist. In mehr als 30 Kasernen waren britische, amerikanische, holländische und deutsche Soldaten untergebracht. Erst mit Beendigung des Kalten Krieges wurden die militärischen Einrichtungen überflüssig und nach und nach abgebaut oder einem neuen Verwendungszweck zugeführt. Bereits1913 wurde mit dem Bau des Kasernengeländes an der Grevener Straße begonnen, die Fertigstellung erfolgte jedoch erst nach dem Ersten Weltkrieg, in ihrer Anlage galten die Gebäude damals als eine der modernsten ihrer Art, weshalb die historischen Komplexe heute unter Denkmalschutz stehen.
Mit ihrer Arbeit 'Kasino' verweist Caroline Bayer nicht nur auf die noch sichtbare Hülle, indem sie verschiedene Strukturen bzw. Objekte entwickelt hat, die sich an den Plänen des Katasteramtes von 1921 orientieren. Auch die Erinnerung an ihre ehemaligen Bewohner/Nutzer lässt sie, durch die Verwendung verschiedener Länder- und Regimentsfahnen wiederauferstehen. Bayers Umgang mit diesem sehr speziellen Ort wirft damit nicht nur ästhetische Fragen auf, sondern erhält durch ihre feinfühlige Herangehensweise auch eine soziale und gesellschaftliche Komponente, was den Umgang mit historischer Bausubstanz angeht. Gerade vor dem Hintergrund des Aufbaus der Dresdner Frauenkirche oder dem Quasi-Neubau des Berliner Stadtschlosses liefert Bayer mit ihren Werken ein passendes Gegenargument zum Wiederaufbauwahn, durch ihre temporären und innovativen Stücke der Erinnerung. Ganz im Sinne Bachelards: Lass dich auf den Raum ein und er wird dir seine Geschichte erzählen.
Text: Thomas Hensolt
Fotos: Jana Kerima Stolzer, Caroline Bayer
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